Einsamkeit im Job – Warum Homeoffice nicht das eigentliche Problem ist
Jeder fünfte Mitarbeiter fühlt sich im Job einsam – das mindert die Produktivität und erhöht Gesundheitskosten. Der neue „State of the Global Workplace 2024“-Bericht von Gallup zeigt, was wirklich helfen könnte.
Einsamkeit ist am Arbeitsplatz ein verbreitetes Gefühl: Jede fünfte Person empfindet Einsamkeit im Job. Doch liegt die Ursache wirklich im Homeoffice? Studien zeigen, dass die Rückkehr ins Büro oft nur wenig daran ändert. Die Forscherinnen Constance Noonan Hadley und Sarah L. Wright beleuchten in ihrem Beitrag für das „Harvard Business Review“, warum das Problem komplexer ist.
Einsamkeit im Job – mehr als ein Homeoffice-Problem
Eine einfache Lösung scheint zu sein, Remote-Arbeit abzuschaffen. Doch die Wissenschaftlerinnen betonen, dass dies das Problem nicht löst. Einsamkeit im Job hat weniger mit dem Arbeitsort zu tun, als vielmehr mit der Struktur des Arbeitsplatzes. In ihrer Untersuchung mit 1000 Büroangestellten (zwischen 22 und 50 Jahren) aus Branchen wie Finanzdienstleistungen, Technologie und Gesundheitswesen zeigte sich, dass der Einsamkeitsgrad nicht signifikant zwischen Büroarbeitern und Remote-Mitarbeitern variiert. Einsamkeit hat vielmehr damit zu tun, wie Menschen am Arbeitsplatz interagieren.
Einsamkeit mindert Produktivität und Wohlbefinden
Mitarbeiter, die sich einsam fühlen, arbeiten weniger produktiv und neigen eher dazu, das Unternehmen zu verlassen. Sie belasten zudem das Gesundheitssystem stärker. Die Forscherinnen befragten Vollzeit-Büroangestellte aus verschiedenen Hierarchieebenen und Arbeitsmodellen (Büro, hybrid und remote) und analysierten, wie soziale Interaktionen das Einsamkeitsgefühl beeinflussen.
Mehr Kontakt bedeutet nicht weniger Einsamkeit
Erstaunlicherweise fühlten sich viele der einsamsten Befragten nicht allein aufgrund mangelnder Kontakte einsam. Tatsächlich gaben 47 Prozent der einsamsten Personen an, die Hälfte ihrer Arbeitszeit im direkten Kontakt mit Kollegen zu verbringen. Entscheidender für das Wohlbefinden ist laut Studie nicht die Anzahl, sondern die Qualität dieser Interaktionen und die Atmosphäre im Team. Menschen, die ohnehin eher introvertiert sind oder weniger soziale Aktivitäten bevorzugen, fühlen sich generell einsamer – egal, ob sie im Büro oder zu Hause arbeiten.
Was Unternehmen gegen Einsamkeit tun können
Ein paar gezielte Maßnahmen können helfen, das Einsamkeitsproblem zu entschärfen:
- Bedarf erkennen: Unternehmen sollten regelmäßig anonym erfragen, wie sich ihre Mitarbeiter fühlen. Nur so lässt sich erkennen, ob und wie Einsamkeit ein Problem darstellt.
- Balance fördern: Eine gesunde Work-Life-Balance ist entscheidend. Überlastete Mitarbeitende finden kaum Zeit für Kontakte. Eine klare Priorisierung von Pausen und Freizeit schafft Raum für soziale Interaktion.
- Teamgefühl stärken: Gemeinsame Lunches, entspannter Smalltalk und regelmäßige Teamevents fördern das Zugehörigkeitsgefühl und senken das Einsamkeitsrisiko. Firmen, die regelmäßig soziale Aktivitäten anbieten, können so das Wohlbefinden ihrer Angestellten verbessern.
Einsamkeit als gesellschaftliches Thema
Psychotherapeutin Esther Perel sieht das Thema noch umfassender: „Gesellschaftlich sollten wir Arbeitsbeziehungen so ernst nehmen wie romantische Beziehungen.“ Einsamkeit im Job ist kein individuelles Problem – sie spiegelt wider, wie Organisationen Strukturen schaffen (oder eben nicht), die echte zwischenmenschliche Verbindungen fördern. Statt Homeoffice als Ursache der Einsamkeit zu betrachten, sollten Unternehmen Wege finden, die Qualität der Arbeitsbeziehungen zu stärken.

